9 September 2025

Führung beginnt beim Verstehen menschlicher Bedürfnisse

Ein Team erfolgreich zu führen, bedeutet weit mehr, als Prozesse zu steuern oder Ziele vorzugeben. Wer Menschen leitet, gestaltet immer auch Beziehungen – und damit ein Geflecht aus Erwartungen, Emotionen und inneren Bedürfnissen. Gerade in KMU, wo Strukturen oft direkter und persönlicher sind, zeigt sich schnell, ob Führungskräfte diese Bedürfnisse ernst nehmen oder übersehen.


Der Schweizer Psychologe Klaus Grawe hat mit seinem Modell vier Grundpfeiler beschrieben, die für unser psychisches Wohlbefinden unverzichtbar sind: Bindung, Autonomie, Sicherheit sowie Lustgewinn und Unlustvermeidung. Sie wirken in jedem Menschen – unabhängig von Rolle oder Hierarchie – und prägen, wie wir Leistung, Zusammenarbeit und Belastung erleben.


Für die Führungspraxis heißt das: Wer diese vier psychologischen Grundbedürfnisse versteht und integriert, stärkt nicht nur die mentale Gesundheit seiner Mitarbeiter, sondern auch seine eigene Resilienz. Führung wird dann nicht länger zum Kraftakt, sondern zur Gestaltung von Rahmenbedingungen, in denen Menschen motiviert, stabil und mit Freude arbeiten können.

„Führung bedeutet, die Bedürfnisse von Menschen zu verstehen – nicht nur ihre Aufgaben.“

Bindung – warum Zugehörigkeit das Fundament von Teamkultur ist

Menschen sind soziale Wesen. Wir brauchen das Gefühl, dazuzugehören, anerkannt und gesehen zu werden. Dieses Grundbedürfnis nach Bindung begleitet uns vom Kindesalter bis ins Berufsleben – und ist in der Führungspraxis von unschätzbarem Wert. In einem KMU, wo Teams oft klein und Strukturen eng verzahnt sind, spüren Mitarbeiter besonders deutlich, ob sie Teil eines echten Miteinanders sind oder lediglich als Funktionsträger wahrgenommen werden.


Fehlt die Bindung, entstehen Unsicherheit, Misstrauen und Rückzug. Mitarbeiter machen nur noch „Dienst nach Vorschrift“ oder verlassen das Unternehmen leise. Umgekehrt können Führungskräfte, die bewusst auf Beziehungen achten, enorme Kräfte freisetzen: Sie schaffen Vertrauen, fördern Offenheit und geben ihrem Team das Gefühl, gemeinsam an einem Strang zu ziehen.


Ich erinnere mich an einen Produktionsleiter, der nach einer Reflexion mit seinem Team begann, jeden Morgen eine kurze Begrüßungsrunde einzuführen. Was zunächst banal wirkte, entfaltete eine überraschende Wirkung: Mitarbeiter fühlten sich ernst genommen, Konflikte wurden schneller angesprochen, und die Stimmung im Team verbesserte sich deutlich. Bindung entsteht nicht durch große Gesten, sondern durch beständige, kleine Zeichen von Wertschätzung.

Team und Zusammenhalt
Zugehörigkeit

Selbstbestimmung als Motor für Motivation

Neben Bindung gehört auch das Bedürfnis nach Autonomie zu den stärksten inneren Triebkräften des Menschen. Wir wollen unser Handeln als selbstbestimmt erleben, eigene Entscheidungen treffen und Einfluss auf unser Umfeld haben. Für Mitarbeiter bedeutet das: Sie möchten nicht nur „ausführen“, sondern auch gestalten. Und für Führungskräfte heißt es: Je mehr sie Verantwortung teilen, desto stärker wächst die Motivation im Team.


In der Praxis zeigt sich, dass fehlende Autonomie oft ein stiller Stressfaktor ist. Mitarbeiter, die permanent kontrolliert oder in engen Vorgaben gefangen sind, fühlen sich eingeengt. Sie verlieren das Vertrauen in ihre Fähigkeiten und schalten innerlich ab. Umgekehrt blühen Menschen auf, wenn sie Gestaltungsfreiräume erhalten. Ein Projektleiter erzählte mir einmal: „Seit mein Chef mir zutraut, selbst Lösungen zu finden, arbeite ich doppelt so motiviert – einfach, weil ich mich ernst genommen fühle.“


Für Führungskräfte in KMU ist das eine Einladung: Räume zu schaffen, in denen Eigenverantwortung nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich gefördert wird. Das kann so einfach sein wie die Frage: „Wie würdet ihr das lösen?“ – statt sofort selbst Antworten zu liefern. Autonomie bedeutet nicht, Kontrolle aufzugeben, sondern Vertrauen zu schenken.

Autonomie stärkt Motivation – Vertrauen ist ihr größter Treiber.

Sicherheit – warum Klarheit und Stabilität unterschätzt werden

Sicherheit ist ein Grundbedürfnis, das wir oft erst dann bemerken, wenn es fehlt. Im Arbeitskontext bedeutet es nicht nur körperliche Unversehrtheit, sondern vor allem psychologische Sicherheit: das Vertrauen, dass man Fehler machen darf, dass Kommunikation ehrlich bleibt und dass die eigene Position im Unternehmen nicht ständig wackelt.


Gerade in KMU mit schnellen Veränderungen – schwankender Auftragslage, neuen Projekten, knappen Ressourcen – sind Unsicherheit und Unklarheit ständige Begleiter. Wenn Mitarbeiter nicht wissen, wo sie stehen, entstehen Angst und Rückzug. Führungskräfte unterschätzen oft, wie stark Unklarheit lähmt. Ein Teamleiter erzählte mir einmal: „Das Problem war nicht die Mehrarbeit, sondern dass keiner wusste, wie lange dieser Ausnahmezustand dauern würde.“


Führungskräfte, die Sicherheit geben, setzen klare Rahmenbedingungen, kommunizieren transparent und halten Zusagen ein. Sicherheit entsteht durch Verlässlichkeit – nicht durch starre Regeln, sondern durch Orientierung. Wer als Chef in turbulenten Zeiten Ruhe ausstrahlt und offen über Unsicherheiten spricht, schafft Vertrauen. So entsteht ein Klima, in dem Mitarbeiter Mut entwickeln, Neues auszuprobieren, statt aus Angst auf Nummer sicher zu gehen.

Grawe-Modell-Diagramm

Lustgewinn & Unlustvermeidung – warum Freude in der Arbeit kein Luxus ist

Arbeit bedeutet Verantwortung, Disziplin und Durchhaltevermögen – doch sie darf auch Freude machen. Das Bedürfnis nach Lustgewinn und Unlustvermeidung beschreibt genau diesen Kern: Wir streben danach, positive Gefühle zu erleben und gleichzeitig Belastungen zu reduzieren. Für Führungskräfte heißt das, Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass Mitarbeiter nicht nur Druck verspüren, sondern auch Erfolgserlebnisse und Anerkennung erfahren.


In der Praxis zeigt sich oft das Gegenteil: Teams rackern unermüdlich, ohne Wertschätzung zu spüren. Meetings drehen sich nur um Probleme, selten um das, was gut läuft. Das führt langfristig zu innerer Kündigung. Umgekehrt kann schon eine kleine Veränderung Großes bewirken – ein ehrliches Dankeschön, das Feiern von Etappenerfolgen oder die bewusste Einladung, auch mal Spaß im Team zu haben.


Ich erinnere mich an ein KMU, in dem ein wöchentlicher „Erfolgsmoment“ eingeführt wurde. Jeder durfte kurz schildern, was in der vergangenen Woche gut gelaufen ist – beruflich oder privat. Nach wenigen Wochen war spürbar: Die Stimmung hob sich, die Zusammenarbeit wurde leichter, und die Menschen begannen, wieder mit Freude in die Arbeit zu gehen.


Lustgewinn ist kein „Bonus“, sondern ein Energiebooster. Führungskräfte, die ihn ernst nehmen, schaffen Räume für Kreativität, Leichtigkeit und Motivation – und verhindern, dass Frust zum Dauerzustand wird.

„Freude an der Arbeit lässt das Werk trefflich geraten.
Aristoteles
Orientierung und Aufbruch

Das Grawe-Modell zeigt eindrucksvoll: Gesunde Führung beginnt nicht bei Methoden oder Tools, sondern bei einem tiefen Verständnis menschlicher Bedürfnisse. Bindung, Autonomie, Sicherheit sowie Lustgewinn und Unlustvermeidung sind die vier psychologischen Grundpfeiler, die darüber entscheiden, ob Menschen motiviert, resilient und leistungsfähig bleiben – oder ob sie im Druck zerbrechen.


Führungskräfte haben hier eine besondere Verantwortung. Sie gestalten den Rahmen, in dem Mitarbeiter arbeiten und sich entwickeln. Wer diese vier Grundbedürfnisse bewusst berücksichtigt, sorgt nicht nur für weniger Stress, sondern auch für mehr Klarheit, Vertrauen und Freude im Alltag. So entsteht eine Unternehmenskultur, die langfristig trägt – für Mitarbeiter ebenso wie für die Führung selbst.


👉 Meine Einladung an dich: Wenn du als Geschäftsführer:in oder Führungskraft lernen möchtest, wie du das Grawe-Modell praxisnah in deinem Führungsalltag umsetzt, dann entdecke die Leaders Academy. Dort verbinden wir Coaching, Praxisübungen und Bewegung – damit du und dein Unternehmen in Balance wachsen können.

TELEFON

+43 677 61072091


E-Mail

office@gesundfuehren.com

UP